Im Sommer hatten meine Frau und ich großes Glück und wir konnten – trotz des Corona-bedingten großen Andrangs an der Ostküste – ein Apartment auf Usedom ergattern. Und das sogar quasi direkt am Strand!

Da weiteres Equipment also in Reichweite war, traute ich mich das Haus mit einer Minimalausstattung – einer 35 mm Festbrennweite – zu verlassen. 35 mm sind eine sehr klassische Brennweite und wurden früher insbesondere zu Reportagezwecken eingesetzt.

Mein erstes Ziel war es in irgendeiner Form „verwaschene“ Aufnahmen vom Meer zu machen. Da ich für das Auf- und Abbauen prinzipiell zu hektisch bin, blieb das Stativ meist zu Hause. Nicht verzichten konnte ich auf einen Neutralgrau-Filter. Diese Filter schlucken einen Großteil des Lichts und erlauben somit auch am helllichten Tag Langzeitbelichtungen. Sie werden häufig eingesetzt um Wasser auf den Fotos „fließen“ zu lassen. Für meine Zwecke habe ich einen vergleichsweise starken 1000 x ND (=Neutral Density)-Filter eingesetzt, welcher also nur ein Tausendstel des Lichts passieren lässt.

Die folgenden Fotos zeigen ein paar Versuche. Die Belichtungszeit variiert zwischen einer Viertel- und einer Zehntelsekunde, alle Fotos sind aus der Hand geschossen.

Auch bei dem nächsten Foto mit dem Traktor kam der Neutralgrau-Filter zum Einsatz. Dieses Mal jedoch ausnahmsweise mit Stativ. Ein großer Vorteil bei verwackelten Personenaufnahmen ist, dass diese nicht identifizierbar sind und somit keine Probleme mit den Persönlichkeitsrechten bestehen. Wird die Belichtungszeit noch weiter erhöht, eignen sich Neutralgrau-Filter auch dazu Personen quasi komplett aus der Aufnahme verschwinden zu lassen.

Die weiteren Aufnahmen zeigen ein paar typische Strandmotive, von denen ich insbesondere die ältere Dame im Wasser mag. Sie scheint dem ganzen Meer eher skeptisch gegenüber zu stehen und ist weniger forsch als ihr junges Konterfei.

Die nächsten Fotos entstanden am Wolgastsee, einem kleinen Binnensee mit Imbiss und Bootsverleih. Das Schwarz-Weiß-Foto entstand beim Spaziergang um den See. Ich habe diesen Art-Noir-Style gewählt um den dramatischen Eindruck der (abgestorbenen?) Bäume zu betonen. Direkt ins Auge stachen mir die in knallen Farben gestrichenen Ruderboote. Die Farbkontraste habe ich in der Bildbearbeitung weiter verstärkt und die Helligkeit des Wassers verringert.

Am letzten Tag wollte ich noch einmal alle Register ziehen und das Stativ gebührend einsetzen. „Gebührend“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Stativ im Meer stand und dieses mit Hilfe einer langen Belichtungszeit glätten sollte. Um dennoch die Möwen scharf abzubilden, musste ich ein weiteres Foto ohne Neutralgrau-Filter schießen und letztendlich beide Fotos in der Bildbearbeitung zusammenbringen. Hier gab es zwei Herausforderungen: Zunächst musste der Filter für das letztgenannte Foto abgeschraubt werden ohne hierbei die Kamera zu verdrehen und den Bildausschnitt zu verändern. Die zweite Herausforderung war die Reinigung des Stativs. Salzwasser dringt wirklich überall ein. Die Moral der Geschichte ist, dass man beim Kauf des Stativs gut darauf achten sollte, ob dieses leicht auseinander- und zusammengebaut werden kann. Mein bisheriges Stativ wollte beim Auseinanderbauen nicht kooperieren und musste hierfür im Endeffekt mit dem Leben zahlen😪.

Die letzten beiden Bilder entstanden ohne Stativ. Ich musste die Kamera möglichst knapp über der Meeresoberfläche halten – jedoch nicht zu knapp! Schließlich reagieren Kameras noch empfindlicher auf Salzwasser als Stative….

Bei den Fotos habe ich extrem von dem klappbaren Spiegel und der Möglichkeit des Live-View profitiert. Bei allen Bildern habe ich versucht den Kontrast zwischen der kalten Farbe des Meeres und der warmen Farbe der moosbewachsenen Pfosten in der Nachbearbeitung zu verstärken.

Neben diesen Farbportraits der Möwen sind am Strand auch noch ein paar schwarz-weiß Portraits von Menschen entstanden, siehe hierzu den Beitrag Shooting am Strand.